Sonnenschein und milde Temperaturen - ideales Wetter für ein Elektroauto. Doch leider konnte das auf der heutigen Etappe unseres ausführlichen Test des Model S von Tesla nur mäßig genutzt werden, denn bereits nach 80 km war das letzte Ziel erreicht. Nach der Rückgabe des Autos ist es ander Zeit, ein paar grundlegende Dinge zu betrachten, die während der kompletten Testtage keine Erwähnung fanden. Und auch ein abschließender Blick wird gemacht
Nachdem das Auto gestern Abend noch einmal gut aufgeladen wurde, ging es zuerst zügig weiter. Dabei wurde noch einmal der Komfort des Autopilot bei bis zu 150 km/h genossen und auch noch kurzzeitig darüber hinaus beschleunigt. Dies auszunutzen war eine gut überlegte Entscheidung, denn unterwegs gibt es nicht nur einige Baustellen, sondern ab einige km vor Köln auch durchgehende Tempolimits über 40 km bis nach Hause. Von daher war zwischenzeitlich und am Ende ohnehin Energiesparen angesagt, was auch zeigt, was man bei der Reiseplanung extrem beachten sollte: die Streckenverhältnisse unterwegs. Das gilt nicht nur für die Zahl und Länge der Langsamfahrstrecken, sondern auch für Steigungen und Gefälle, die sich deutlich auf den Verbrauch und damit die Reichweite auswirken. In dem Zusammenhang ist schade, dass diejenigen, die gerne mit Daten spielen, im Navigationssystem nicht die aktuellen Höhendaten angezeigt bekommen.
Heute ging es dann bei extrem angenehmen +12° und blauem Himmel zur Fahrzeugrückgabe. Am Ende sind insgesamt 2.040 km zusammengekommen, und das bei extrem wechselnden Bedingungen. Von strahlendem Sonnenschein über Regen und Nebel bis hin zu Schneematsch und leicht überfrierender Nässe war alles dabei, die Temperaturen lagen dabei um bis zu 20° auseinander. Und Fakt ist: die Kälte wirkt sich offenbar auf die Reichweite aus, allerdings nicht so gravierend, wie zu befürchten gewesen ist. Am Ende sorgt dies eigentlich nur dafür, dass die Ladezeiten an den jeweiligen Supercharger (SuC) einige wenige Minuten länger ausfallen. Oder das man auf einer längeren Etappe zwischen zwei Ladestationen einige wenige km/h langsamer fahren muss. Am Ende habe ich 8 Stopps am SuC gemacht (jeweils 3 an den ersten beiden Tagen und 2 am letzten Tag), sowie eine Aufladung an einer öffentlichen Tankstelle durchgeführt.
Mit einem halbwegs vergleichbar starken Benzinfahrzeug à la Audi RS 6 Avant oder Mercedes E-Klasse 63 AMG wären auf so einer Strecke ebenfalls 4 bis 5 Stopps nötig gewesen, die allerdings etwas bis deutlich kürzer ausfallen könnten. Zudem lässt sich damit eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit erzielen, sofern die Autobahnen - so wie oftmals auf der Fahrt im Osten Deutschlands - frei sind. Doch für den Sprit wären dabei bei einem Realverbrauch von 12 bis 15 Litern und einem Preis von aktuell etwa 1,25 Euro pro Liter Super Plus zwischen 300 und 375 Euro fällig gewesen - während der Tesla völlig kostenlos aufgeladen wurde. Zudem relativiert sich der Zeitnachteil des Elektroautos noch weiter, wenn die Fahrer eines Verbrenner-Fahrzeugs unterwegs ebenfalls eine längere Pause einlegen. In meinem Fall hat das auf einer Strecke von 600 km einen Zeitverlust von rund 30 bis 60 Minuten bedeutet, die mit einer Geldersparnis von etwa 100 Euro belohnt wird.
Nun noch die versprochenen weiteren Betrachtungen:
Das Fahrzeug an sich:
Optisch in jedem Fall ein Hingucker, von Design her eher bei Jaguar und Maserati als bei BMW und Mercedes. Dabei kann das Model auch mit praktischen Details glänzen, unter anderem einem riesigen hinteren Kofferraum, der unter einer elektrischen Heckklappe gut erreichbar ist. Für den Fall, dass dieser Platz nicht reicht, gibt es unter vorderen Haube noch weiteren Stauraum, der beim Allradmodell wegen des zusätzlichen Motors deutlich kleiner ausfällt als beim reinen Hecktriebler. Die Verarbeitungsqualität aktueller Model S hat sich gegenüber den ersten Fahrzeugen um einiges verbessert und ist inzwischen auf einem hohen Niveau angekommen. Dennoch ist bei kleinen Details zu erkennen, dass es noch reichlich Luft nach oben gibt. Festgestellt wurden etwa ein leichter Versatz zwischen vorderer Haube und Kotflügel oder eine unterbrochene Zierleiste, deren jeweiligen Enden nicht die gleiche Höhe hatte. Auch die Spaltmaße zwischen den einzelnen Karosserieteilen sind relativ breit und auch nicht immer zu 100% gleichmäßig. Am Ende sind das nur optische Feinheiten, doch bei einem Auto mit einer Kaufsumme von bis zu über 165.000 Euro darf man auf so etwas schon achten.
Im Innenraum ist für Erwachsene ganz klar vorne der beste Platz. Hier sitzt man auf durchaus bequemem Gestühl mit etlichen elektrischen Verstellmöglichkeiten (aber leider ohne Belüftung oder gar Massagefunktion) in entspannter Haltung und hat mit dem riesigen Touchscreen ein schönes "Spielzeug" vor der Nase. Nach oben hin hat man dabei auch reichlich Luft. Allerdings ist es schade, dass es kein Rollo für das Panoramadach gibt, denn dieses war bei den niedrigen Außentemperaturen extrem kalt und sorgte für einen "kühlen Kopf". Zudem ist das Glasdach auch geringfügig lauter als das geschlossene Dach, was in einem Elektroauto natürlich besonders auffällt. Wie bei allen Autos profitieren von dem Dach ohnehin eher die hinten sitzenden - und das sollten beim Tesla Model S eher Kinder oder kleinere Erwachsene sein. Das Problem ist nämlich, dass die Sitzhöhe der Bank aufgrund der Akkus im Boden recht niedrig ist. Etwas längere Beine müssen daher in sehr spitzem Winkel und komplett ohne Oberschenkelauflage abgestellt werden, was auf längeren Strecken unbequem ist. Wer also öfters mit mehreren ausgewachsenen Personen unterwegs ist, sollte auf das demnächst auch in Deutschland erhältliche SUV Model S warten, bei dem dieses Problem deutlich entschärft wurde.
Noch eine kleine Beobachtung am Rande: die Rundumsicht beim Model S ist nicht die beste. Das gilt vor allem für den Blick nach vorne links, denn die mächtige und ziemlich flach stehende A-Säule lässt je nach Blickwinkel ganze Autos verschwinden. Auch der Blick nach hinten ist eingeschränkt, vor allem durch das schießschartenartige Rückfenster, dass im vorderen Rückspiegel nur einen kleinen Teil ausmacht, sowie den Bereichen links und rechts davon. Bei diesem Fenster fällt aber eines immerhin sehr positiv auf: dank der Abrisskante, bei unserem Auto mit zusätzlichem Spoiler, verschmutzt die Scheibe im Regen und bei Schneematsch nicht, Zudem liegt sie so gut im Wind, dass sie ständig freigeblasen wird. Zur Unterstützung dieses Effekts bei geringer Geschwindigkeit empfehle ich die Behandlung der Scheibe mit einer Scheibenversiegelung (aber Vorsicht: bitte nur hinten!).
Die Bedienung:
Wer sich das erste Mal in ein Model S setzt, dem gehen erst einmal die Augen über. Wo andere Hersteller selbst in der Oberklasse immer noch vergleichsweise kleine Displays mit teilweise niedriger Auflösung anbieten, sitzt in jedem Tesla ein 17 Zoll großer Touchscreen mit 1.920 x 1.200 Pixeln. Über diesen werden alle Funktionen des Fahrzeugs gesteuert und zahlreiche Informationen geliefert. Die Aufteilung sieht dabei folgendermaßen aus: in der Kopfzeile gibt es dauerhaft diverse Wahlmöglichkeiten aus Obergruppen, sowie die persönlichen Einstellungen. In der Fußzeile wird ebenfalls dauerhaft die Regelung der Klimaanlage, die Lautstärkeregelung sowie der Schnellzugriff auf die Fahrzeug-Einstellungen angezeigt. Dazwischen können jeweils zwei Fenster aus den Obergruppen frei gewählt werden, das sind wie Multimedia, Navigation, Kalender, Energiehaushalt, Browser, Heckkamera und Telefon. Die einzelnen Fenster dienen dann zur Steuerung oder Anzeige von Informationen und können auch auf die ganze Bildschirmhöhe (zwischen Kopf- und Fußzeile) vergrößert werden. Update: hier ein gesonderter Test des Soundsystems.
Die Möglichkeiten bei den Einstellungen wirken anfangs erschlagend, doch die Bedienlogik passt. Da sich nahezu alle Funktionen auch da befinden, wo man sie auch vermuten würde, geht die Steuerung bereits nach kurzer Zeit locker von der Hand. Auch das Nutzen der verschiedenen Ebenen bei der Reichweitenberechnung, dem Google-unterstützten Navigationssystem mit Satellitenkarten oder dem seit dem letzten Update enthaltenen Premium-Account von Spotify ist im Prinzip selbsterklärend. Doch trotz des ausgeklügelten Bedienkonzepts darf nicht vergessen werden, dass die Nutzung von so umfangreichen Möglichkeiten gehöriges Ablenkungspotenzial bietet. Von daher ist es zwar ein netter Service, dass auch ein vollwertiger Internet-Browser an Bord ist, doch es ist schon grenzwertig, dass dieser auch während der Fahrt benutzt werden kann. Die Vorstellung von surfenden Tesla-Fahrern mit Autopilot bereitet mir ein wenig Unbehagen.
Der Autopilot:
Für mich das absolute Highlight des Autos und die größte Überraschung der jüngeren Automobilgeschichte. Es ist absolut erstaunlich, dass Großkonzerne wie Volkswagen und Mercedes-Benz (Daimler) noch immer forschen und forschen, während das kleine und junge Unternehmen Tesla bereits jetzt ein System anbietet, dass so ausgereift ist, dass ich problemlos große Stücke meiner Strecke habe fahren lassen. Egal ob auf gut ausgebauter und freier Autobahn, ob bei Schneematsch, Regen, Nebel oder Dunkelheit, der Autopilot fand fast immer seinen Weg. Natürlich ist die Technik längst nicht perfekt, doch mit der Zeit weiß man ziemlich genau, an welchen Stellen möglicherweise Probleme auftreten werden (etwa am Ende von Baustellen oder bei schlechter/fehlender Fahrbahnmarkierung). Dort ist man dann entweder besonders wachsam oder schaltet gleich ganz auf manuellen Modus um. Das automatische Gasgeben und Bremsen (bis hin zum Stillstand) sowie die automatische Lenkung arbeiten größtenteils so perfekt, dass sogar "freihändige" Fahrten über etliche km mit teilweise engeren Autobahnkurven hinweg möglich waren. An einigen Stellen sind allerdings etwas abrupte Lenkmanöver erfolgt, die einem immer wieder in Erinnerung gerufen haben, unbedingt aufmerksam zu bleiben.
Nicht ganz so begeistert bin ich nach wie vor vom Spurwechselassistenten, vor allem bei gleichzeitiger Verwendung mit dem Autopilot. In den meisten Fällen genügt es, den Blinker zu halten und das Lenkrad sanft in die gewünschte Richtung zu schieben, und schon wird wie von Geisterhand die Spur gewechselt. Doch irgendwie wollte das längst nicht immer klappen. So wollte der Tesla mehrmals wieder auf die ursprüngliche Spur zurück, obwohl der Blinker beim Spurwechsel so lange gehalten wurde, bis dieser eigentlich abgeschlossen war. Und mindestens genau so lange wie bei diversen Versuchen davor, wo es geklappt hat. In der Folge war ein Schlenker die Folge, der fast wie eine kleine Trunkenheitsfahrt anmutt, bis man das Auto wieder manuell im Griff hatte. Dabei kann der abrupte Versuch der Rückkehr auf die ursprüngliche Spur durchaus böse Folgen haben, wenn dort bereits wieder jemand überholt. Doch das war nur das Extrem, häufiger hingegen kam es vor, dass einfach gar nichts passiert ist. Obwohl die Bahn frei war, der Blinker gehalten und das Lenkrad sanft in die entsprechende Richtung bewegt wurde, tat sich: nichts. Zumindest so lange nicht, bis die Lenkbewegung dazu führte, dass sich der Autopilot mit einem Pling verabschiedet.
Doch wieder anschalten ist einfach. Der Hebel und die Bedienung des Tempomat dürfte Mercedes-Fahrern vertraut vorkommen, und auch alle anderen haben Funktionen wie ein- und ausschalten oder Geschwindigkeit ändern schnell erlernt. Um den Autopilot zu nutzen, muss einfach der Hebel zweimal hintereinander gezogen werden, sofern das entsprechende Symbol im Display die Verfügbarkeit anzeigt. Mit einem sanften Signalton und optischer Anzeige wird dann die Nutzung angezeigt. Und schon kann es weitergehen mit der automatischen Fahrt.
Update, 28.01.2016, 15:12 Uhr: in einem Test wurden meine Erfahrungen durch den ADAC bestätigt und auch die gleichen Vorbehalte geäußert.
Fazit:
Das Model S konnte fast durchweg begeistern. Das fängt bei der Optik an, und geht beim ungewöhnlichen Bedienkonzept weiter. Hier sollten sich Tesla-Fahrer aber nicht verlocken lassen, sich permanent ablenken zu lassen. Das fällt nämlich leicht, denn die ruhige Fahrweise, die nur gelegentlich von einem sanften Sirren begleitet wird, bei gleichzeitig extrem dynamischem Antritt kann derzeit kein anderes Auto in dieser Form bieten. Doch ich würde allen Tesla-Fahren raten, gut über die Investition des Aufpreises für das "P" vor der Modellbezeichnung nachzudenken - in meinen Augen sind die 22.300 Euro plus weitere 11.000 Euro für die bessere sowie die extreme (im Menü als "von Sinnen" gekennzeichnete) Beschleunigung eigentlich überflüssig, zumal sie auch noch die Reichweite verkürzt. Aber das muss natürlich jeder für sich entscheiden, und die Faszination ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, wenn die Limousine auf Landstraßen und der Autobahn den extrem antrittsstarken Sportwagen gibt.
Technik-Fans kommen nicht nur angesichts von Elektroantrieb und ungewöhnlichem Bedienkonzept auf ihre Kosten, sondern auch wegen des bereits jetzt sehr gut arbeitenden Autopilot. Dieser ist auf langen Strecken neben der guten Federung (die nicht ganz so fein abgestimmt ist wie bei der Premium-Konkurrenz, aber glücklicherweise auf sportliche Härte verzichtet) und dem extrem niedrigen Geräuschniveau (wer es gern besonders leise hat, sollte vielleicht auf das Panoramadach verzichten) ein Garant für überdurchschnittlich entspanntes Vorankommen. Das ist die Zukunft, und die haben Audi, BMW, Jaguar, Mercedes und Co. bislang offenbar noch nicht erreicht.
Jetzt stellt sich die Frage: für wen ist das Model S das richtige Fahrzeug? Erst einmal für diejenigen, die entsprechende Lademöglichkeiten haben. Also einen entsprechenden Hausanschluss, idealerweise in Verbindung mit einer Photovoltaik-Anlage, und/oder einen Supercharger in relativer Nähe. Und dann für diejenigen, die bereits sind, mit den Nachteilen zu leben. Dazu zählen längere und häufigere Pausen, bei denen man in der Regel den geballten Charme deutscher Autohöfe und Schnellrestaurants kennenlernt. Für so manchen gutsituierten potenziellen Tesla-Fahrer ist das vielleicht nicht unbedingt das Ambiente, in dem man gewohntermaßen unterwegs ist. Dieser Kundschaft wird vielleicht auch das ein oder andere Ausstattungsdetail, darunter noch bessere Sitze oder ein moderneres Scheinwerfersystem, fehlen.
Ja, das Model S ist durchaus alltagstauglich, sofern auf den gefahrenen Routen ausreichend Supercharger vorhanden sind. Und hier muss noch so manche Lücke geschlossen werden, damit Umwegfahrten der größtenteils der Vergangenheit angehören. Wer damit aber leben kann, wird durch sensationell niedrige Unterhalts- und Betriebskosten in einem der bequemsten Autos überhaupt entschädigt. Mir hat er extrem gut gefallen!!!
Hinweis:
Vielen herzlichen Dank an das Team vom Tesla Store und Servicezentrum Düsseldorf für die Bereitstellung des Fahrzeugs!!!
Hier geht es zum:
1. Tag des Tests
2. Tag des Tests
3. Tag des Tests
Test des optionalen Soundsystems
Update, 05.02.2016, 18:04 Uhr: Hier noch meine andere Betrachtung des Beschleunigungs-Pakets.
Meinung des Autors: So, es ist vorbei, der ausführliche Test des Model S von Tesla ist abgeschlossen. Das Fazit fällt durchaus positiv aus, wobei einige Highlights wie der Autopliot besonders beeindruckt haben. Klar ist aber auch: auch das "Abenteuer Elektroauto" muss man sich einlassen. Doch Tesla macht es einem einfach, wenn auch nicht preiswert.
Nachdem das Auto gestern Abend noch einmal gut aufgeladen wurde, ging es zuerst zügig weiter. Dabei wurde noch einmal der Komfort des Autopilot bei bis zu 150 km/h genossen und auch noch kurzzeitig darüber hinaus beschleunigt. Dies auszunutzen war eine gut überlegte Entscheidung, denn unterwegs gibt es nicht nur einige Baustellen, sondern ab einige km vor Köln auch durchgehende Tempolimits über 40 km bis nach Hause. Von daher war zwischenzeitlich und am Ende ohnehin Energiesparen angesagt, was auch zeigt, was man bei der Reiseplanung extrem beachten sollte: die Streckenverhältnisse unterwegs. Das gilt nicht nur für die Zahl und Länge der Langsamfahrstrecken, sondern auch für Steigungen und Gefälle, die sich deutlich auf den Verbrauch und damit die Reichweite auswirken. In dem Zusammenhang ist schade, dass diejenigen, die gerne mit Daten spielen, im Navigationssystem nicht die aktuellen Höhendaten angezeigt bekommen.
Heute ging es dann bei extrem angenehmen +12° und blauem Himmel zur Fahrzeugrückgabe. Am Ende sind insgesamt 2.040 km zusammengekommen, und das bei extrem wechselnden Bedingungen. Von strahlendem Sonnenschein über Regen und Nebel bis hin zu Schneematsch und leicht überfrierender Nässe war alles dabei, die Temperaturen lagen dabei um bis zu 20° auseinander. Und Fakt ist: die Kälte wirkt sich offenbar auf die Reichweite aus, allerdings nicht so gravierend, wie zu befürchten gewesen ist. Am Ende sorgt dies eigentlich nur dafür, dass die Ladezeiten an den jeweiligen Supercharger (SuC) einige wenige Minuten länger ausfallen. Oder das man auf einer längeren Etappe zwischen zwei Ladestationen einige wenige km/h langsamer fahren muss. Am Ende habe ich 8 Stopps am SuC gemacht (jeweils 3 an den ersten beiden Tagen und 2 am letzten Tag), sowie eine Aufladung an einer öffentlichen Tankstelle durchgeführt.
Mit einem halbwegs vergleichbar starken Benzinfahrzeug à la Audi RS 6 Avant oder Mercedes E-Klasse 63 AMG wären auf so einer Strecke ebenfalls 4 bis 5 Stopps nötig gewesen, die allerdings etwas bis deutlich kürzer ausfallen könnten. Zudem lässt sich damit eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit erzielen, sofern die Autobahnen - so wie oftmals auf der Fahrt im Osten Deutschlands - frei sind. Doch für den Sprit wären dabei bei einem Realverbrauch von 12 bis 15 Litern und einem Preis von aktuell etwa 1,25 Euro pro Liter Super Plus zwischen 300 und 375 Euro fällig gewesen - während der Tesla völlig kostenlos aufgeladen wurde. Zudem relativiert sich der Zeitnachteil des Elektroautos noch weiter, wenn die Fahrer eines Verbrenner-Fahrzeugs unterwegs ebenfalls eine längere Pause einlegen. In meinem Fall hat das auf einer Strecke von 600 km einen Zeitverlust von rund 30 bis 60 Minuten bedeutet, die mit einer Geldersparnis von etwa 100 Euro belohnt wird.
Nun noch die versprochenen weiteren Betrachtungen:
Das Fahrzeug an sich:
Optisch in jedem Fall ein Hingucker, von Design her eher bei Jaguar und Maserati als bei BMW und Mercedes. Dabei kann das Model auch mit praktischen Details glänzen, unter anderem einem riesigen hinteren Kofferraum, der unter einer elektrischen Heckklappe gut erreichbar ist. Für den Fall, dass dieser Platz nicht reicht, gibt es unter vorderen Haube noch weiteren Stauraum, der beim Allradmodell wegen des zusätzlichen Motors deutlich kleiner ausfällt als beim reinen Hecktriebler. Die Verarbeitungsqualität aktueller Model S hat sich gegenüber den ersten Fahrzeugen um einiges verbessert und ist inzwischen auf einem hohen Niveau angekommen. Dennoch ist bei kleinen Details zu erkennen, dass es noch reichlich Luft nach oben gibt. Festgestellt wurden etwa ein leichter Versatz zwischen vorderer Haube und Kotflügel oder eine unterbrochene Zierleiste, deren jeweiligen Enden nicht die gleiche Höhe hatte. Auch die Spaltmaße zwischen den einzelnen Karosserieteilen sind relativ breit und auch nicht immer zu 100% gleichmäßig. Am Ende sind das nur optische Feinheiten, doch bei einem Auto mit einer Kaufsumme von bis zu über 165.000 Euro darf man auf so etwas schon achten.
Im Innenraum ist für Erwachsene ganz klar vorne der beste Platz. Hier sitzt man auf durchaus bequemem Gestühl mit etlichen elektrischen Verstellmöglichkeiten (aber leider ohne Belüftung oder gar Massagefunktion) in entspannter Haltung und hat mit dem riesigen Touchscreen ein schönes "Spielzeug" vor der Nase. Nach oben hin hat man dabei auch reichlich Luft. Allerdings ist es schade, dass es kein Rollo für das Panoramadach gibt, denn dieses war bei den niedrigen Außentemperaturen extrem kalt und sorgte für einen "kühlen Kopf". Zudem ist das Glasdach auch geringfügig lauter als das geschlossene Dach, was in einem Elektroauto natürlich besonders auffällt. Wie bei allen Autos profitieren von dem Dach ohnehin eher die hinten sitzenden - und das sollten beim Tesla Model S eher Kinder oder kleinere Erwachsene sein. Das Problem ist nämlich, dass die Sitzhöhe der Bank aufgrund der Akkus im Boden recht niedrig ist. Etwas längere Beine müssen daher in sehr spitzem Winkel und komplett ohne Oberschenkelauflage abgestellt werden, was auf längeren Strecken unbequem ist. Wer also öfters mit mehreren ausgewachsenen Personen unterwegs ist, sollte auf das demnächst auch in Deutschland erhältliche SUV Model S warten, bei dem dieses Problem deutlich entschärft wurde.
Noch eine kleine Beobachtung am Rande: die Rundumsicht beim Model S ist nicht die beste. Das gilt vor allem für den Blick nach vorne links, denn die mächtige und ziemlich flach stehende A-Säule lässt je nach Blickwinkel ganze Autos verschwinden. Auch der Blick nach hinten ist eingeschränkt, vor allem durch das schießschartenartige Rückfenster, dass im vorderen Rückspiegel nur einen kleinen Teil ausmacht, sowie den Bereichen links und rechts davon. Bei diesem Fenster fällt aber eines immerhin sehr positiv auf: dank der Abrisskante, bei unserem Auto mit zusätzlichem Spoiler, verschmutzt die Scheibe im Regen und bei Schneematsch nicht, Zudem liegt sie so gut im Wind, dass sie ständig freigeblasen wird. Zur Unterstützung dieses Effekts bei geringer Geschwindigkeit empfehle ich die Behandlung der Scheibe mit einer Scheibenversiegelung (aber Vorsicht: bitte nur hinten!).
Die Bedienung:
Wer sich das erste Mal in ein Model S setzt, dem gehen erst einmal die Augen über. Wo andere Hersteller selbst in der Oberklasse immer noch vergleichsweise kleine Displays mit teilweise niedriger Auflösung anbieten, sitzt in jedem Tesla ein 17 Zoll großer Touchscreen mit 1.920 x 1.200 Pixeln. Über diesen werden alle Funktionen des Fahrzeugs gesteuert und zahlreiche Informationen geliefert. Die Aufteilung sieht dabei folgendermaßen aus: in der Kopfzeile gibt es dauerhaft diverse Wahlmöglichkeiten aus Obergruppen, sowie die persönlichen Einstellungen. In der Fußzeile wird ebenfalls dauerhaft die Regelung der Klimaanlage, die Lautstärkeregelung sowie der Schnellzugriff auf die Fahrzeug-Einstellungen angezeigt. Dazwischen können jeweils zwei Fenster aus den Obergruppen frei gewählt werden, das sind wie Multimedia, Navigation, Kalender, Energiehaushalt, Browser, Heckkamera und Telefon. Die einzelnen Fenster dienen dann zur Steuerung oder Anzeige von Informationen und können auch auf die ganze Bildschirmhöhe (zwischen Kopf- und Fußzeile) vergrößert werden. Update: hier ein gesonderter Test des Soundsystems.
Die Möglichkeiten bei den Einstellungen wirken anfangs erschlagend, doch die Bedienlogik passt. Da sich nahezu alle Funktionen auch da befinden, wo man sie auch vermuten würde, geht die Steuerung bereits nach kurzer Zeit locker von der Hand. Auch das Nutzen der verschiedenen Ebenen bei der Reichweitenberechnung, dem Google-unterstützten Navigationssystem mit Satellitenkarten oder dem seit dem letzten Update enthaltenen Premium-Account von Spotify ist im Prinzip selbsterklärend. Doch trotz des ausgeklügelten Bedienkonzepts darf nicht vergessen werden, dass die Nutzung von so umfangreichen Möglichkeiten gehöriges Ablenkungspotenzial bietet. Von daher ist es zwar ein netter Service, dass auch ein vollwertiger Internet-Browser an Bord ist, doch es ist schon grenzwertig, dass dieser auch während der Fahrt benutzt werden kann. Die Vorstellung von surfenden Tesla-Fahrern mit Autopilot bereitet mir ein wenig Unbehagen.
Der Autopilot:
Für mich das absolute Highlight des Autos und die größte Überraschung der jüngeren Automobilgeschichte. Es ist absolut erstaunlich, dass Großkonzerne wie Volkswagen und Mercedes-Benz (Daimler) noch immer forschen und forschen, während das kleine und junge Unternehmen Tesla bereits jetzt ein System anbietet, dass so ausgereift ist, dass ich problemlos große Stücke meiner Strecke habe fahren lassen. Egal ob auf gut ausgebauter und freier Autobahn, ob bei Schneematsch, Regen, Nebel oder Dunkelheit, der Autopilot fand fast immer seinen Weg. Natürlich ist die Technik längst nicht perfekt, doch mit der Zeit weiß man ziemlich genau, an welchen Stellen möglicherweise Probleme auftreten werden (etwa am Ende von Baustellen oder bei schlechter/fehlender Fahrbahnmarkierung). Dort ist man dann entweder besonders wachsam oder schaltet gleich ganz auf manuellen Modus um. Das automatische Gasgeben und Bremsen (bis hin zum Stillstand) sowie die automatische Lenkung arbeiten größtenteils so perfekt, dass sogar "freihändige" Fahrten über etliche km mit teilweise engeren Autobahnkurven hinweg möglich waren. An einigen Stellen sind allerdings etwas abrupte Lenkmanöver erfolgt, die einem immer wieder in Erinnerung gerufen haben, unbedingt aufmerksam zu bleiben.
Nicht ganz so begeistert bin ich nach wie vor vom Spurwechselassistenten, vor allem bei gleichzeitiger Verwendung mit dem Autopilot. In den meisten Fällen genügt es, den Blinker zu halten und das Lenkrad sanft in die gewünschte Richtung zu schieben, und schon wird wie von Geisterhand die Spur gewechselt. Doch irgendwie wollte das längst nicht immer klappen. So wollte der Tesla mehrmals wieder auf die ursprüngliche Spur zurück, obwohl der Blinker beim Spurwechsel so lange gehalten wurde, bis dieser eigentlich abgeschlossen war. Und mindestens genau so lange wie bei diversen Versuchen davor, wo es geklappt hat. In der Folge war ein Schlenker die Folge, der fast wie eine kleine Trunkenheitsfahrt anmutt, bis man das Auto wieder manuell im Griff hatte. Dabei kann der abrupte Versuch der Rückkehr auf die ursprüngliche Spur durchaus böse Folgen haben, wenn dort bereits wieder jemand überholt. Doch das war nur das Extrem, häufiger hingegen kam es vor, dass einfach gar nichts passiert ist. Obwohl die Bahn frei war, der Blinker gehalten und das Lenkrad sanft in die entsprechende Richtung bewegt wurde, tat sich: nichts. Zumindest so lange nicht, bis die Lenkbewegung dazu führte, dass sich der Autopilot mit einem Pling verabschiedet.
Doch wieder anschalten ist einfach. Der Hebel und die Bedienung des Tempomat dürfte Mercedes-Fahrern vertraut vorkommen, und auch alle anderen haben Funktionen wie ein- und ausschalten oder Geschwindigkeit ändern schnell erlernt. Um den Autopilot zu nutzen, muss einfach der Hebel zweimal hintereinander gezogen werden, sofern das entsprechende Symbol im Display die Verfügbarkeit anzeigt. Mit einem sanften Signalton und optischer Anzeige wird dann die Nutzung angezeigt. Und schon kann es weitergehen mit der automatischen Fahrt.
Update, 28.01.2016, 15:12 Uhr: in einem Test wurden meine Erfahrungen durch den ADAC bestätigt und auch die gleichen Vorbehalte geäußert.
Fazit:
Das Model S konnte fast durchweg begeistern. Das fängt bei der Optik an, und geht beim ungewöhnlichen Bedienkonzept weiter. Hier sollten sich Tesla-Fahrer aber nicht verlocken lassen, sich permanent ablenken zu lassen. Das fällt nämlich leicht, denn die ruhige Fahrweise, die nur gelegentlich von einem sanften Sirren begleitet wird, bei gleichzeitig extrem dynamischem Antritt kann derzeit kein anderes Auto in dieser Form bieten. Doch ich würde allen Tesla-Fahren raten, gut über die Investition des Aufpreises für das "P" vor der Modellbezeichnung nachzudenken - in meinen Augen sind die 22.300 Euro plus weitere 11.000 Euro für die bessere sowie die extreme (im Menü als "von Sinnen" gekennzeichnete) Beschleunigung eigentlich überflüssig, zumal sie auch noch die Reichweite verkürzt. Aber das muss natürlich jeder für sich entscheiden, und die Faszination ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, wenn die Limousine auf Landstraßen und der Autobahn den extrem antrittsstarken Sportwagen gibt.
Technik-Fans kommen nicht nur angesichts von Elektroantrieb und ungewöhnlichem Bedienkonzept auf ihre Kosten, sondern auch wegen des bereits jetzt sehr gut arbeitenden Autopilot. Dieser ist auf langen Strecken neben der guten Federung (die nicht ganz so fein abgestimmt ist wie bei der Premium-Konkurrenz, aber glücklicherweise auf sportliche Härte verzichtet) und dem extrem niedrigen Geräuschniveau (wer es gern besonders leise hat, sollte vielleicht auf das Panoramadach verzichten) ein Garant für überdurchschnittlich entspanntes Vorankommen. Das ist die Zukunft, und die haben Audi, BMW, Jaguar, Mercedes und Co. bislang offenbar noch nicht erreicht.
Jetzt stellt sich die Frage: für wen ist das Model S das richtige Fahrzeug? Erst einmal für diejenigen, die entsprechende Lademöglichkeiten haben. Also einen entsprechenden Hausanschluss, idealerweise in Verbindung mit einer Photovoltaik-Anlage, und/oder einen Supercharger in relativer Nähe. Und dann für diejenigen, die bereits sind, mit den Nachteilen zu leben. Dazu zählen längere und häufigere Pausen, bei denen man in der Regel den geballten Charme deutscher Autohöfe und Schnellrestaurants kennenlernt. Für so manchen gutsituierten potenziellen Tesla-Fahrer ist das vielleicht nicht unbedingt das Ambiente, in dem man gewohntermaßen unterwegs ist. Dieser Kundschaft wird vielleicht auch das ein oder andere Ausstattungsdetail, darunter noch bessere Sitze oder ein moderneres Scheinwerfersystem, fehlen.
Ja, das Model S ist durchaus alltagstauglich, sofern auf den gefahrenen Routen ausreichend Supercharger vorhanden sind. Und hier muss noch so manche Lücke geschlossen werden, damit Umwegfahrten der größtenteils der Vergangenheit angehören. Wer damit aber leben kann, wird durch sensationell niedrige Unterhalts- und Betriebskosten in einem der bequemsten Autos überhaupt entschädigt. Mir hat er extrem gut gefallen!!!
Hinweis:
Vielen herzlichen Dank an das Team vom Tesla Store und Servicezentrum Düsseldorf für die Bereitstellung des Fahrzeugs!!!
Hier geht es zum:
1. Tag des Tests
2. Tag des Tests
3. Tag des Tests
Test des optionalen Soundsystems
Update, 05.02.2016, 18:04 Uhr: Hier noch meine andere Betrachtung des Beschleunigungs-Pakets.
Meinung des Autors: So, es ist vorbei, der ausführliche Test des Model S von Tesla ist abgeschlossen. Das Fazit fällt durchaus positiv aus, wobei einige Highlights wie der Autopliot besonders beeindruckt haben. Klar ist aber auch: auch das "Abenteuer Elektroauto" muss man sich einlassen. Doch Tesla macht es einem einfach, wenn auch nicht preiswert.