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marioroman
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Es ist wieder einer dieser lonesome fucking days, die nicht enden wollen. Der Regen strömt nur so dahin und lässt meine Fenster zu Trommeln werden. Meine letzte Zigarre hat sich in einen Glutstängel verwandelt und in mir macht sich Frust breit. Bruno liegt direkt unter dem Schreibtisch und vergnügt sich an den Gebeinen irgendeines verdammten Ungeziefers. Die Sonne brennt sich langsam in ihrer roten Abendglut ein Loch durch die Wolken, doch ich plage mich nur mit einem Gedanken, der mir keine Ruhe lässt.

Er steht dort draußen. In Silber. Allein. Ich weiß: Er gehört mir. Der Schlüssel, er liegt auf meinem Schreibtisch und schaut mich an. Es ist ein undankbares Wetter für ihn. Selbstverständlich steht er verdeckt da. Der Gedanke, ihn bei diesem Wetter unbedeckt zu sehen, erfüllt meine Augen mit Tränen. Mein Blick gleitet auf seine einzigartige Silhouette. Man sagte mir, er hätte französische Gene der Riviera in seinen asiatischen Adern. Sein Vater hatte Geschmack, dass muss man ihm lassen. Erwachsen ist er mit viel Stil und Charme geprägt. Bruno lässt sich seinen Knochen merklich schmecken, ein lautes Schmatzen ist zu vernehmen. Die Jalousien füllen sich mit Licht und reflektieren es an die Bürowand. Es ist soweit. Er ist soweit. Der Regen verflüchtigt sich und die Glut der Abendsonne kommt durch. Ein paar letzte Tropfen können nicht widerstehen, noch einmal voller Freude seinen weichen Linien zu folgen. Ich versenke meinen Zigarrenstummel im Aschenbecher und greife zum Schlüssel der Begierde. Ich kann ihm das nicht antun. Er muss sich bewegen. Und er muss sich strecken. Bruno lässt widerwillig seinen Knochen liegen und folgt meinen Schritten. Good old dog.

Ein Knopfdruck und er gibt mir sein Innerstes preis. Ich öffne seine Beifahrertür. Bruno steigt ein und hält sich vornehm mit dem lechzenden Sabbern zurück. Halt die Dinge, die ein Hund so macht. Der Rundgang zur linken Tür bereitet meiner Seele ein Gefühl des Glücks und der Harmonie. Beim Einstieg leuchtet mir dezent sein Name entgegen. Dann sitze ich auch schon in ihm. Weiches Leder umhüllt mich. Wurzelholz umschmeichelt meine Augen. Auf Knopfdruck verschwindet diese Fassade und die Must-Have-Variante eines Multimedia-Systems kommt zum Vorschein. Exklusivität by Mark Levinson versteht sich. Alles öffnet und schließt sich in leisen Flüsterbewegungen. Zurückhaltung. Der Schlüssel dreht sich, der Motor startet. Flüstern. Bruno lässt seine sensiblen Ohren über das Motorengeräusch wandern. Leicht grollend legt er sich zurück auf seinen Platz, irritiert ob sich seine Ohren so langsam verabschieden. Doch Bruno ist nicht taub. Good old dog. Er ist einfach so kultiviert und laufruhig, dass kein Geräusch wahrnehmbar ist. Vor uns stecken knapp 300 V8 PS, die wie eine schnurrende Katze mit integriertem Schalldämpfer vor sich hinblubbern. Ein Blick nach hinten und ich sehe zwei Koffer auf den „Notsitzen“. Das Wort an sich lässt schon erahnen, wie dringend es sein müsste, dass sich hier ein Mensch mit gesundem Verstand hier freiwillig hinsetzen würde. Brunos Knochen und meine Zigarrensammlung finden hier aber eindeutig Platz. Was mich wieder auf diese plagende Frage bringt….

Bevor ich das Gaspedal berühre, lasse ich meinen Finger auf den Schalter für das Dach schwingen. Innerhalb von 25 Sekunden verschwindet das Stahldach im darauf nicht mehr vorhandenen Kofferraum. Nun kann die Fahrt beginnen. Langsam trete ich das Pedal und „gleite“ auf die Straße. Ein besseres Wort kann einem hierzu nicht einfallen. Jede Bodenunebenheit wird sauber auskorrigiert. Das Fahrwerk bleibt immer straff genug, um auch in den Kurven ausreichend Halt zu bieten. Allerdings gefällt es ihm nicht so ganz, bei Tempo 100 in die Kurve zu gehen. Dafür ist er schon zu sehr Wohlstandsfranzose in seinen Genen geworden. Das kleine Baguette zu viel merkt man ihm schon an. Landstraßen sind ein wahrer Genuss mit diesem Auto. Gehören Sie zu diesen Menschen mit dem richtigen Touch Prollblut in den Adern? Bei diesem Auto wird das Blut zur zähen dickflüssigen Masse. Kein Kickdown Burnout, kein laut johlender V8, der zeigt, wer hier der Master of Desaster im Straßenverkehr ist. Auf der Autobahn haben Bruno und ich trotzdem unseren Spaß, die werten deutschen Kollegen bei ihren limitierten 250 km/h zu überholen. Unser Gefährt macht erst bei 260 dicht. Genug, um den schicken Hinten vor der etwas angenervten Konkurrenz ein wenig tänzeln zu lassen bevor er von dannen zieht. Auch beim Sprinten ist er mit 6,2 Sekunden Druckbelastung auf 100 im Toleranz Bereich. 419 Nm inklusive.

Der Genuss des Fahrens ist eine Sinnlichkeit sondergleichen. Entspannter kommt man mit kaum einem anderen Gefährt von A nach B. Bruno und ich wollen uns austesten, planen schon eine lange und freudige Fahrt durch die Alpen. Kaum ist Rasierzeug und Knochenvorrat fest verstaut, kommt noch der eben besagte Gedanke in realer Form meiner Frau vor meine Füße. Wohin damit? Keine Frage. Ein kleiner Anruf mit dem Bluetooth gesteuerten Autotelefon lässt die netten Männer vom Frauenheim ankommen und schon ist sie in einem netten Zimmer mit Blumen und täglichem Ausgang verstaut. Zwei Wochen nur Bruno und ich. Make My Day!!!
Text: Mario- Roman Lambrecht
Fotos: Mario- Roman Lambrecht